Persönliches
Als ich mich ganz der Malerei verschrieb, hatte ich über 20 Jahre im Labor meines Mannes mitgearbeitet – zuletzt an Fragen der Wahrnehmungspsychologie. Dies fließt auch in meine Arbeit ein. Um Unsichtbares in meine Bilder zu bannen – Stimmungen, emotionale Erfahrungen, Erinnerungen, Düfte, Musik – setze ich auf die Ausdruckskraft der Farbe, auf leuchtende Farbklänge, auf Rhythmen aus Farbe und Licht. Meist arbeite ich in vielen transparenten Schichten, oft so dünn aufgetragen, dass bei bestimmten Farben metallisch schimmernde Flächen entstehen. Ich erobere für mich immer wieder neue Techniken oder kombiniere alte mit neuen, und gewinne dadurch neue Ausdrucksmittel für meine Arbeit.
Als erste deutsche Malerin gestalte ich viele Bilder so, dass sie räumliche Tiefe entfalten, wenn man sie durch eine farblose "ChromaDepth"-Brille betrachtet. Sie zerlegt das einfallende Licht in die Regenbogenfarben und lenkt die verschiedenen Wellenlängen aus unterschiedlichen Richtungen in die Augen. Diese Ablenkung macht sie für beide Augen spiegelsymmetrisch. So sehen die Augen unterschiedliche Bilder, und dies führt zur Wahrnehmung von Raumtiefe: Rot geht dabei am weitesten nach vorn und Blau ganz nach hinten. Alle Farbflächen heben sich vom Malgrund ab, werden zu Farbräumen, die sich vor unseren Augen verändern; denn erst nach und nach erschließt sich ihre volle Tiefe. Die 3D-Wirkung resultiert also aus den Farbtönen des Bildes. Die räumliche Position kann durch unser kognitives System ganz individuell interpretiert werden. So betritt der Betrachter eine neue, fremdartige Welt der Farben.
Wie und warum ich male
Die Malerei lässt mich eintauchen in eine Welt, in der nichts anderes wichtig ist als das innere Bild, das gerade nach außen drängt, in Farbe und Licht zu fassen. Um mein Ziel zu erreichen, setze ich viele verschiedene Techniken ein: Décalcomanie, Frottage, Assemblage, Collage, pastose Enkaustik, geschichtete Acrylfarben, glänzende Lacke. Haptische Wirkung vermittelt eingearbeitetes Material wie raue Asche, leuchtender Grünspan und Sand. Auch Spachtelmasse oder eine Grundierung mit Gesso geben dem Malgrund Struktur. Der Weg zur fertigen Arbeit ist meist lang, braucht Tage. Wochen, bei großen Bildern Monate. Es fordert Ausdauer und Beharrlichkeit, bis der Punkt erreicht ist, an dem ich mit einem inneren Lächeln denken kann: Jetzt habe ich nichts mehr hinzuzufügen oder zu ändern.
Auslöser für meine Bilder sind Naturerlebnisse, Gedichte, Fotos oder Farbkombinationen, die mir irgendwo begegnen. Sie alle rufen in mir zuerst den Farbklang und das Thema hervor, das mein neues Bild bestimmen wird. Die Farben sind für mich das Mittel, Emotionen auszudrücken und zu transportieren. Worte, Gedichte, Texte brauchen den Umweg über den Intellekt, ihren Sinn muss man mit dem Verstand erfassen und deuten. Sie wirken selten allein durch ihren Klang. Farben dagegen sprechen direkt Emotionen an, rufen rasch und unmittelbar Empfindungen beim Betrachter wach. So sehe ich meine Bilder, seien es Miniaturen oder Großformate, als Quintessenzen meiner eigenen Erlebnis- und Gefühlswelt.
Die meisten meiner neueren Arbeiten oszillieren zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit, und ihr Farbcharakter trägt wesentlich zur Bildinformation bei. Es spielt dabei aber keine Rolle, ob der Farbklang den natürlichen Farben entspricht. Wichtig als Formgeber sind mir nicht nur Linien, sondern auch Farbgrenzen, die oft mehr aussagen als eine Linie, weil sie weich ineinander übergehen können. Die Formen entwickeln sich während des Malprozesses aus dem Thema heraus. Wiederholungen langweilen mich. So würde ich keine homogen bemalten Leinwände zum xten Mal schlitzen, um Aufsehen zu erregen. Aber Variationen ein- und desselben Themas finde ich interessant – da geht es mir wie in der Musik.
Ich kann gewiss nicht davon ausgehen, dass meine Gemälde genau die Gefühle hervorrufen, die ich selbst beim Malen hatte. Ich kann nicht einmal sicher sein, dass der Betrachter Farben genauso sieht wie ich. Und ganz bestimmt sieht er mein Bild mit anderen Augen, und es wird andere Assoziationen in ihm wecken, die aus seiner ganz persönlichen Erfahrungswelt auftauchen. Jeder wird sich also sein eigenes Bild vor einer bemalten Leinwand machen. Aber es scheint doch so zu sein, dass bestimmte Farben und Formen in uns Grundgefühle wecken, die tief eingenistet sind.
Ich stelle mir den Vorgang beim Malen eines Bildes so vor: Fantasie und Pinsel führen von einem natürlichen Objekt bzw. einer Imagination zu einem abstrahierten oder ganz abstrakten Farbgebilde. Daraus können dann aus der Fantasie des Betrachters Emotionen und vielleicht auch spirituelle Erfahrungen entstehen.
Malerei und Illusion
In manchen meiner Bilder geht es um das Thema Vergänglichkeit. So stehen in zwei meiner Arbeiten aus der Reihe „Momente des Glücks“ den vielen eingearbeiteten, leuchtenden „Momenten“ ein schwarzes Blattgerippe oder eine Eule wie ein leise mahnender Zeigefinger gegenüber. Trotzdem wage ich den Versuch, den flüchtigen Augenblick festzuhalten, ihm zuzurufen: „Verweile doch, du bist so schön!“ Aber ich kann ihn nicht festhalten, diesen Moment des Glücks. Ich kann nur versuchen, die erlebte Stimmung wiederzugeben, sei sie auch von einer Illusion hervorgerufen. Ich muss bekennen, selbst in diesem Fall könnte ich nicht anders als solche Illusionen zu lieben. So ist Kunst für mich eine Oase für Stimmungen, für Empfindungsräume fern aller ratio.